PERSPECTIV - Tagung in Bad Lauchstädt, 06.10. - 07.10.23
20 Jahre PERSPECTIV die Gesellschaft der historischen Theater Europas tagte in ihrer Deutschlandroute vom 6.10.23 bis 7.10.23 in Bad Lauchstädt.
Wir sind als Förderverein des nördlichsten historischen Theaters Putbus nicht allein auf der Welt. Das haben zwei unserer Vorstandsmitglieder im Oktober in Bad Lauchstädt wieder erleben dürfen. Dort trafen sie sich mit Menschen, die ebenfalls das historische Theater lieben und pflegen und das gleiche Anliegen haben: Das Kulturerbe „Theater“ der Bevölkerung sichtbar und zugänglich zu machen.
Dazu bedarf es eines Netzwerkes Gleichgesinnter. Begonnen hat alles vor 20 Jahren, als sich Vertreter historischer und Liebhabertheater im Goethe-Theater Bad Lauchstädt zu einer Gesellschaft, die sich PERPECTIV nennt, zur Deutschlandroute, zusammengeschlossen. Ein Theater gilt als „historisches Theater“, wenn es mindestens 100 Jahre alt ist und sich bis auf notwendige Restaurierungen im historischen Gewand zeigt.
Bis heute bietet das Netzwerk wertvolle Anregungen: So können Erfahrungen über die Beschaffung von finanziellen Mitteln und den Umgang mit Entscheidungsträgern ausgetauscht werden. Gemeinsam fällt es auch leichter, Ideen zu entwickeln, wie wir uns gemeinsam und einzeln dem Ziel nähern wollen. Ein Baustein ist der Austausch und die Koproduktion historischer Stücke auf den Bühnen anderer Theater. Wir erinnern uns gern an die Aufführung des Liebhabertheaters Großkochberg zu unserem 30-jährigen Vereinsjubiläum am 7. Dezember 2022.
Dass das Netzwerk PERSPECTIV nun also schon seit 20 Jahren operiert, war ein schöner Anlass, sich wieder einmal im Bad Lauchstädter Goethe-Theater zu treffen.
Für alle, die noch nicht dort gewesen sind: Das Goethe-Theater ist ein Sommertheater und mit unserem Putbusser Theater nicht zu vergleichen. Sehenswert ist die noch aus der Gründerzeit stammende Bühnentechnik, die mit viel Aufwand betrieben werden muss, um ein Stück aufzuführen. Betritt man das Theater, schlägt einem der Geruch von Sisal, Staub, Holz, Mäusedreck, Parfüm und Schweiß entgegen. Steigt man zu den Rängen hinauf, sind an den Wänden Bilder von Schauspielern, Sängern und Instrumentalisten, die hier Gastspiele gaben, zu sehen. So zum Beispiel Peter Schreier als Tamino in der „Zauberflöte“. Goethe, Schiller und Vulpius haben hier gewirkt; ihre Spuren sind bis heute sichtbar.
Wie diese Spuren erhalten werden können, war auch ein Thema der Veranstaltung: Es ging unter anderem darum, wie die Häuser einschließlich der historischen Bühnentechnik, der Beleuchtung, der Pyrotechnik und der Ausstattung erhalten werden können - und das auch noch im Einklang mit den heutigen Gesetzen. Das ist nämlich gar nicht so einfach: Brand- und Arbeitsschutz beispielsweise zwingen. die Theater in einen Spagat zwischen Finanzierbarkeit, betriebswirtschaftlichen Ansprüchen einerseits und dem Schutz der Häuser andererseits. Meistens gelingt die Lösung mit Kompromissen, auch mit der Hilfe der Gesellschaft PERSPECTIV, gelegentlich scheitert sie an der Ignoranz von politischen Entscheidungsträgern.
Inspirierend war der Vortrag von Silke Gablenz-Kolakovic, Vorstandsvorsitzende des Liebhabertheaters in Großkochberg, die zur Arbeitsweise Goethes als Intendant und Kämmerer (Weimar und Bad Lauchstädt) sprach. Sein Umgang mit Künstlern und Bühnenpersonal war einmalig, einige Anekdötchen erheiterten die Teilnehmenden.
In die Zukunft denkt das Ekhof Theater Gotha, es experimentiert mit hochmoderner Technik in Form von High-Tech-Brillen, um das alte Theater und seine Bühnentechnik dem Publikum aus einer völlig anderen Perspektive zu zeigen.
Sein Projekt stellte Klaus-Dieter Reus aus Bayreuth vor. Im Theatermuseum hat er mit gleichgesinnten Enthusiasten eine funktionsfähige und bespielbare Bühne einschließlich sehr alter Bühnentechnik zum selbst Handanlegen nachgebaut. Ein Highlight für jeden Ingenieur, Techniker und Theaterliebhaber, der sich für die Lösung kniffliger Probleme begeistert. Diese Arbeit hat nicht nur in Theaterkreisen für viel Interesse gesorgt. Auch wir waren begeistert und laden Klaus-Dieter Reus 2024 ein, damit er Interessierten aus unseren Breiten dieses Projekt vorstellen kann. Den krönenden Abschluss der Veranstaltung bildete die Aufführung „Die Zauberflöte“, ein deutsches Singspiel in drei Akten in der Weimarer Fassung von 1794 im Goethe -Theater Bad Lauchstädt. Ein Bühnenbild, welches ständig wechselte, um die Orte der Handlung sichtbar zu machen, hochmotivierte Darsteller mit farbenfrohen, der jeweiligen Figur angemessenen Kostümen, ein wohlklingendes Orchester, das hörbar Freude an der Musik hatte all das machte die Aufführung nicht nur für Liebhaber Mozartscher Musik zu einem Genuss.
Fazit: Wir haben erneut von unserer Mitgliedschaft bei PERSPECTIV profitieren können und viele wertvolle Anregungen bekommen. Auch ein konkretes Projekt ist aus dem Treffen erwachsen.
Unser Rat an Sie: Vielleicht machen Sie mal im Sommer Zwischenstopp in Bad Lauchstädt, um dieses Theater, seine Aufführungen, den Schlosspark und die Hofküche zu genießen.
Helga Lawrenz